07.05.2020

Das traurigste Mallorca



Leergefegt: Hier sollten eigentlich gerade Rennräder flanieren.


Mallorca klingt in den Ohren eines Radfahrers wie das Wort Elbphilharmonie für einen Konzertliebhaber. In der Tat gibt es wohl keinen Ort der Welt, der so populär bei Zweirad-Enthusiasten ist. Umso unwirklicher ist der aktuelle Blick auf die Insel: Ein surreales Abziehbild des Skurrilen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, es geht natürlich hier um Malle. Und ja, man darf natürlich auf keinen Fall alle anderen vergessen. Italiener, Franzosen, Slowenen und natürlich die übrigen Spanier. Im Vergleich kommen wir Deutsche noch ganz gut weg und zwischen dem, was andere Nationen gerade ertragen müssen und unserer Situation liegen noch einmal Welten. Gerade wir Fahrradler können uns nur schwer vorstellen, was es heißt, bei schönstem Sonnenschein kaum einen Schritt vor die Haustüre setzen zu dürfen und demnach auch das Sportgerät auszuführen. Anderen bleibt derzeit nur ein bisschen um die eigene Wohnung herumlaufen und Workouts aus dem Internet nachzumachen. Am Rande bemerkt: diese ganzen Fitness-Barbies bei YouTube müssten doch eigentlich so richtig absahnen und zu den großen Gewinnern dieser Zeit gehören. Weiß das jemand verbindlich?
Jammen auf hohem Niveau ist es allemal, wenn wir uns beschweren: Wir haben - entgegen der Befürchtung der hiesigen Schwarm-Intelligenz - genug Klopier und ich kenne niemanden, der aufgrund der Krise sein Brot selber gebacken hat.
Zurück zu den Mallorquinern: Die Insel, die pro Jahr deutlich über 200.000 Radfahrer beherbergt (und darüber hinaus natürlich einen Riesenbatzen Ballermänner, Badefamilien und Wandersleute), erlebt gerade einen Supergau. Das wissen wir alle. Und uns hat es natürlich auch persönlich betroffen. Dabei hatten wir noch irgendwie Glück - wobei: Es gibt auch einige, die bereits Anfang März oder gar im Februar schon dort waren. Das sind meist die super-Ehrgeizigen, die das Radfahren aus sportlichen Gründen sehr ernst nehmen. Diese jedenfalls konnten völlig ungestört business as usual machen. Corona geisterte zu dieser Zeit als asiatisches Schreckgespenst umher - weit entfernt von uns und unserem Alltag.

Urlaub zu Hause statt Urlaub wie zu Hause

Es war Ende März. In wenigen Tagen sollte es auch für uns losgehen. Doch dann kam der plötzliche Lockdown in Spanien. Seit Jahren schon bevorzugen wir das MA13 in Sineu als Unterkunft. Ein mehrstöckiges Stadthaus mitten in Sineu - mitten auf der Insel. Weg von den Küsten, deren Nachteil zweifellos ist, dass das Meer verhindert, dass man in alle Himmelsrichtungen Richtung aufbrechen kann. Abgesehen davon hat mir das Meer noch nie gefehlt, wenn ich zum Radfahren auf Mallorca war. Oft sogar musste ich mich dazu überreden, doch nochmal ans Wasser zu gehen, denn peinlich, wenn man Urlaub an der Küste gemacht hat und nicht einmal am Strand war. In Sineu jedenfalls kann man nach überall hin aufbrechen und jeden Punkt der Insel erreichen, was man von einem Ort an der Küste nur unter größten Anstrengungen schafft. Ist man in Alcudia, hat man's sehr weit nach Andratx, ist man am Ballermann, kommt man selten zum Cap Formentor und so weiter.
Das Haus selbst hat nur Platz für rund ein Dutzend Gäste und bietet ansonsten alles, was das Herz begehrt: Radwerkstatt, Terrasse, Lounge und eine tolle Küche, in der man sich selbst nach allen Regeln der Kunst bekochen kann. Man lebt dort wie in einer großen WG, wobei man oft vorher die Mitbewohner nicht kennt. Das krasse Gegenmodell jedenfalls zu den Hotelfabriken und Großveranstaltern, die sich entlang der Küste tummeln. Diese Gemütlichkeit wollten wir mit einer kleinen Gruppe also wieder mal genießen, wobei wir uns diesmal besonders darauf freuten, weil Jan Eric, unser "Herbergsvater" mangels Platz im eigenen Haus, eine kleine Finca für uns besorgt hatte. Großartig! 

Das MA13 - gechilltes Dasein fernab vom Trubel

Doch das alles kippte von heute auf morgen. Wie gesagt, Gott sei Dank, dass es nicht eine Woche später soweit war, denn dann hätten wir festgesessen. Radfahren war plötzlich unter Strafe verboten und auch sonst macht die Insel derzeit einen geisterhaften Eindruck. Jan Eric wirkte geknickt am Telefon, hatte er noch ein paar Tage zuvor davon gesprochen, dass er noch keine Auswirkungen spüre. Über Details wollte er jetzt nicht mehr reden, doch es war ihm anzumerken, dass er alles andere als glücklich war.


Wir vermissen die Insel, den Geruch des mallorquinen Frühlings, die mediterranen Windböen, die Gemeinschaft und natürlich die Kilometer auf den wohlbekannten Straßen. Die Webcams, die man sonst besucht, weil man sich übers Wetter informieren will oder es ganz einfach nicht mehr erwarten kann und weil man sich einfach ein bisschen auf die Atmosphäre eingrooven möchte, wirken wie Standbilder in dem Moment, wenn Spanien im Endspiel der Fussball WM steht: Strassen und Plätze sind leergefegt, alles wirkt geisterhaft und surreal. 
Hoffen wir einfach, dass wir dieses Bild nur einmal, nur in diesem Jahr sehen und das ganze hoffentlich lediglich als absurdes Streiflicht unser Radsportleben tangiert.


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